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Belgisch-Deutscher Konvent 2023

Die viertägige Tagung fand im August in Brüssel statt - Thema „Neue Gemeindeformen in unseren Kirchen“

Diediesjährige Tagung des Belgisch-Deutschen Konvents 2023 fand Ende August mit über 40 Teilnehmenden in Brüssel statt. Das Thema in diesem Jahr lautete: "Neue Gemeindeformen in unseren Kirchen". Pfarrerin Bärbel Büssow, die Synodalbeautragte des Kirchenkreises für die Euregio, berichtet über die Ergebnisse der Tagung. Das Tagungshaus der Brüsseler Franziskaner und Franziskanerinnen „Maison Notre-Dame du Chant-d’oiseau“ liegt neben der eindrucksvollen Kirche Notre-Dame-des-Grâces de Woluwe, in der die Morgen- und Abendandachten stattfanden.

Der Präsident der Vereinigten Protestantischen Kirche (VPKB) in Belgien, Pfarrer Steven Fuite, hatte es sich nicht nehmen lassen, wie auch schon in früheren Jahren, am ersten Abend dabei zu sein. „Es geht unserer Kirche nicht so gut,“ fasste er die aktuelle Situation in Belgien zusammen. „Wir werden von der Realität eingeholt.“ Die Zahl der Kirchenmitglieder und der Pfarrer und Pfarrerinnen ist dramatisch gesunken.
Warum sind wir da, was tun wir und wie sind wir in der Gesellschaft präsent? Bereits seit 2014 beschäftigt sich eine nationale Arbeitsgruppe der Synode mit diesen Fragen. Der Kongregationalismus (d.h. jede Gemeinde entscheidet selbst), gepaart mit der Erwartung, wie gewohnt eine eigene Pfarrperson für sich allein vor Ort zu haben, verhindert ein Zusammengehen von Gemeinden, was angesichts der Zahlen und der Schließung von Kirchengebäuden notwendig wäre. Direktives Handeln seitens der Synode mögen belgische Protestanten erst recht nicht. Daher sollen nun Beratungsgremien für die sechs Distrikte der VPKB die Gemeinden und Pfarrpersonen unterstützen, Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen und Pfarrteams zu bilden. Letzteres soll das recht einsame Pfarramt in Belgien außerdem auch attraktiver machen.

Verkrampfte Kirche?

Das erste Referat der Tagung hielt Pfarrerin Dr. Jannica De Prenter (Brügge). Sie stellte nüchtern fest, dass wir zunehmend eine verkrampfte Kirche sind: „Wir fangen an, uns noch mehr anzustrengen…. „Retten, was zu retten ist“, heißt es oft in der Kirche.“ Sie ermutigte dazu, innezuhalten und neu an Dietrich Bonhoeffers hochaktuelle Theologie anzuknüpfen. Diese zeigt, worum es geht: Kirche Christi sein. Bonhoeffer schrieb angesichts der tiefgreifenden Auswirkungen der Säkularisierung 1944: „Unsere Kirche, die all die Jahre nur um Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, das versöhnende und erlösende Wort in die Welt und zu den Menschen zu bringen. Die Gestalt der Kirche wird sich stark verändern.“

Mit Bonhoeffer betonte De Prenter, dass der Ort der Kirche mitten in der Welt ist. Die Pionierarbeit innerhalb der Protestantischen Kirchen in Belgien und Niederlanden setzt da an und sucht nach neuen Wegen. Sie sucht und erreicht Menschen am Rande und außerhalb der Kirche. Pioniere gehen auf die Bedürfnisse der Menschen ein, nehmen den Kontext wahr, begegnen liebevoll und dienend und beginnen schrittweise gemeinsam mit den Menschen, die sie erreichen, neue niederschwellige Formen von Kirche aufzubauen und sie an der Führung teilhaben zu lassen. Die Pionierorte sollen nicht anstelle, sondern neben bestehenden Kirchen eingerichtet werden. Beide sollen in Dialog verbunden sein und zusammenarbeiten und einander beleben („mixed economy“).

Kirche sollte zunächst hinhören

Professorin Dr. Dmin Sandra Bils, Referentin für strategische-innovative Transformationsprozesse (Berlin und Kassel), zeigte anhand mehrerer Bibelzitate (u.a. Jes 43,19 und Phil 3,12f, Hebr 11,10), dass Veränderungen und Neuanfänge zur Glaubenstradition gehören. Daher heißt es auch: „Ecclesia semper reformanda est" (Die Kirche muss ständig reformiert werden). Bils zeigte anhand religionssoziologischer Untersuchungen die schwindende Bindungskraft in einer fluiden Gesellschaft, was zum Bedeutungsverlust der Kirchen beiträgt. Wenn die Kindergeneration nur noch teilweise christlich sozialisiert ist, gibt es schon nach vier Generationen kein Kirchenmitglied mehr.  Die christliche Gemeinschaft der Zukunft kann sich diesen Entwicklungen nur stellen, wenn sie flexibel, „flüssig“, d.h. anpassungsfähig und „Kirche für andere“ (Bonhoeffer) ist. Das erfordert Mut und neue Entscheidungen.  Bils formulierte spannende Zukunftsfragen, z.B. Wozu sind wir da? Wie bilden wir aus? Wer hat Entscheidungsgewalt? Wo geht das Geld hin? Welche Berufe und Gebäude benötigen wir? Braucht es neue und weitere Formen der Mitgliedschaft? Alles weitermachen wie bisher und gleichzeitig neues schaffen, das ist zu viel. Daher gibt es z.B. Erprobungsräume.

Miriam Hoffmann, Projektleitung Erprobungsräume der Evangelischen Kirche im Rheinland, betonte, es gehe nicht um neue Gemeinden, sondern um eine neue Haltung. Kirche versteht sich meist als Gastgeberin - was sie nicht so gut kann, ist selbst zu Gast sein. Menschen erleben die Kirche als fremd, obwohl sie eine Sehnsucht nach Spiritualität haben, weil die Gastgeberin Kirche es gut meint und sich für sie ein passendes Angebot überlegt. Warum hören wir nicht erst hin? so fragte Hoffmann. Die Erprobungsräume sind Projekte in den Kirchengemeinden, die diese Haltung und damit auch eine Veränderung einüben. Sie sind immer Kirche, das betonte Hoffmann, und sie bieten Platz für neue Ideen und Formen mitten in der Kirche, ermöglichen eine Vielfalt an Glaubensäußerungen und ein Voneinander-Lernen.

Mit Dr. Heleen Ransijn (Straßenpfarrerin in Gent), Andries Boekhout (Pionier in Ostende) und Pfarrerin Margrietha Reinders (Projekt Heilig Vuur in Amsterdam) begegnete der Konvent drei beeindruckenden Menschen, die vor Ort, wo es (fast) nichts mehr an kirchlichem Leben gab, neu angefangen haben und wo Gemeinde Jesu Christi in neuer Form entstanden ist. Gemeinsam haben die drei Pionier*innen, dass sie sich nicht auf die noch wenigen Mitglieder konzentrieren, sondern auf ihre Mitmenschen und ihre Bedürfnisse und ihre Gaben. Die Pionierarbeit musste sich oft gegenüber der bestehenden Kirche rechtfertigen, inzwischen wird sie zunehmend als Teil der Kirche verstanden als ein eigener Weg hin zu denen, die am Rande stehen.

Ein Ausflug führte nach Mons (Bergen), wo der Konvent in einem ärmeren Stadtteil ein Sozialkaufhaus der evangelischen Kirche besuchte und einen Straßendiakon kennenlernte, der regelmäßig mit einem Schriftenstand auf dem Wochenmarkt steht.  Gastfreundlich wurden wir in der kleinen bescheidenen Gemeinde empfangen und durften zu Gast sein, hinschauen und lernen. Zum Abschluss der Tagung feierten die Teilnehmenden gemeinsam Abendmahl in einem mehrsprachigen Gottesdienst und machten sich auf den Heimweg: bereichert, ermutigt und inspiriert. 

Kontakt
Quelle: Andreas Steindl

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Quelle: Andreas Steindl

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