Vor 500 Jahren begann die Reformation, Anlass für eine Fülle von Gottesdiensten, Veranstaltungen und Ausstellungen in unserem Land und weltweit.
Die vier Kirchenkreise Aachen, Gladbach-Neuss, Jülich und Krefeld-Viersen verbindet eine gemeinsame Reformationsgeschichte, die ihre Prägung vor allem durch den Genfer Reformator Johannes Calvin bekommen hat. Deshalb wird hier das Reformationsjubiläum gemeinsam gefeiert, und damit diese Gemeinschaft der vier Kirchenkreise sprachlich und bildlich deutlich wird, heißt sie „Kleeblatt“, wie in unserem Logo zu sehen ist. Neben einer Reihe von Pilgerwegen und einem „Fest der Begegnung“ am 10. September in Jülich findet am ersten Septemberwochenende eine „Reformationssynode“ in Mönchengladbach-Rheydt statt. Zu diesem besonderen Ereignis befragten wir die Präses (Vorsitzende) dieser Synode, Diplompolitologin Martina Wasserloos-Strunk, Leiterin der Philippus-Akademie des Kirchenkreises Gladbach-Neuss.
Als Evangelische wissen wir normalerweise, was eine Synode ist – aber was ist eine Reformationssynode?
Mit unseren Veranstaltungen im Reformationsjahr wollen wir Anlässe schaffen, zu denen sich Menschen eingeladen fühlen, auf verschiedene Weise reformatorische Gedanken neu zu entdecken, vielleicht sogar weiter zu denken und jedenfalls aus der Geschichte nach vorne – in unsere Zeit zu übersetzen.
Die Reformationssynode ist in diesem Zusammenhang etwas Neues und Besonderes. Sie soll die Vielfalt der Glaubenstraditionen in der globalisierten Welt als Bereicherung im Glauben, aber auch als Anregung in unseren jeweiligen Erfahrungshorizonten sichtbar machen: wir feiern die Reformationssynode nicht nur mit den Delegierten des Kleeblatts, sondern mit Delegierten unserer kreiskirchlichen Partnerschaften und aus der Euregio als stimmberechtigte Mitglieder.
Wer sind die Teilnehmer*innen, wie viele, woher kommen sie?
Es werden Menschen aus Indonesien, Tansania, Marokko, Namibia, Belgien, den Niederlanden, sowie aus Eberswalde und der Niederlausitz teilnehmen. Es kommen mindestens 5 Personen aus jeder kreiskirchlichen Partnergemeinde. Dazu haben die vier Kirchenkreise des Kleeblattes jeweils so viele Plätze, wie 25% der Mitglieder der ordentlichen Kreissynoden ausmachen würden. Wir haben ganz bewusst die Möglichkeit eingeräumt, Menschen aus den Gemeinden zu benennen, die sonst nicht als Synodale in ihrem Kirchenkreis mitarbeiten, aber einen intensiven Bezug zur Gemeinde haben.
Worum soll es gehen bei diesem Treffen?
Wir wollen miteinander das Wort, des Propheten Jesaja diskutieren und auslegen das auch das Motto unserer Kleeblattveranstaltungen insgesamt ist: „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück“ (Jes. 55). Man kann sich ja vorstellen, dass dieses Wort – je nachdem wo es bedacht wird, ob in Marokko, in Indonesien, in Venlo oder in Neuss ganz verschiedene Auslegungen erfährt, also, dass es je nachdem in welchem Lebens- und Glaubenskontext es vorkommt, ganz unterschiedlich erfahren wird. Das ist eben das Neue – traditionell wirken unsere Synoden ja immer wie „geschlossene Gesellschaften“. Hier wollen wir bewusst die Verschiedenheit in den Traditionen und Lebenssituationen wahrnehmen und voneinander lernen.
Ist eine Synode etwas typisch Evangelisches? Warum?
Ja, das kann man so sagen. Eine Synode ist so etwas wie ein Kirchenparlament. Das Wort ist nicht ganz passend, aber kommt dem sehr nahe. Eine Entdeckung der Reformation war ja, dass jeder und jede Getaufte in der Kirche Verantwortung übernehmen kann und soll. Luther hat das mal so gesagt: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, dieses Amt auch auszuüben.
Deshalb trägt eine Synode mit ihren gewählten Delegierten Verantwortung für das kirchliche Leben und zwar in allen Bezügen: geistlich, ebenso wie in Fragen der Finanzen oder Personalangelegenheiten.
Wie läuft die Reformationssynode ab? Was sind die wichtigsten Tagesordnungspunkte?
Wir wollen genug Zeit haben, zum Kennenlernen und zum Austausch. Es soll viel gesungen und musiziert werden – Lieder aus allen Ländern, die Delegierte entsandt haben. Und natürlich wollen wir inhaltlich arbeiten – mit den Texten, die die Delegierten aus ihren Heimatgemeinden mitbringen, sowie mit dem, was unser Hauptreferent René Krüger aus Argentinien uns zum Leitwort der Synode „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück“ zu sagen hat.
Was ist das Besondere an dieser Synode?
Besonders ist vor allem die Zusammensetzung. Wir haben außerdem alle Partner gebeten, schon im Vorfeld das Thema der Synode „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück!“ in ihren Gemeinden zu diskutieren und uns einen Text zukommen zu lassen, der beschreibt, wie das Jesaja- Wort in den jeweiligen Gemeinden und Lebensumständen Wirkung erzielt. Für die inhaltliche Arbeit gibt es auch etwas Neues: wir werden unsere Diskussionen im Konsensverfahren führen. Das Konsensverfahren ist eine Methode die die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen vor einigen Jahren zum ersten Mal erprobt hat. Inzwischen ist das auch beim Weltkirchenrat ein eingespieltes Modell.
Was bedeutet „Konsensverfahren“?
Bei den großen internationalen Kirchenversammlungen hat man immer wieder festgestellt, dass es Delegierte gibt, die aus unterschiedlichen Gründen unsere eher westlich geprägte traditionelle „Ja“-„Nein“ Abstimmungsform nicht mitmachen können – weil es in ihren Kulturen z.B. diese klare Form von Zustimmung und Ablehnung nicht gibt. Deshalb werden Verhandlungen mit blauen und roten Karten geführt: während der Diskussion kann man mit der roten Karte Zustimmung signalisieren, mit der blauen Karte dagegen Bedenken. Die „Bedenken“ werden dann angehört und das Plenum kann wieder entsprechend mit Kartenanzeige reagieren. Am Ende kommt man, wenn es gut läuft, zum Konsens. Es ist ein Verfahren, das nicht so überschaubar ist wie eine einfache Abstimmung pro und kontra, dafür aber sehr viel mehr auf Bedenken und Rückmeldungen eingeht – am Ende sollte es jedenfalls nicht die Situation geben, dass Menschen sich durch Überstimmung kaltgestellt fühlen.
Welche Auswirkungen kann diese Synode haben, abgesehen davon, dass die Teilnehmer sich dort mal getroffen haben? Was wird daraus für die Gemeinden oder auch die Öffentlichkeit insgesamt?
Das Treffen hat schon seinen eigenen Wert und seine Bedeutung, denn jeder und jede werden mit ihren Erfahrungen in ihre Gemeinden gehen und dort von der Reformationssynode und den persönlichen Eindrücken berichten. Warten wir ab, was dann alles in Bewegung kommt: an Glaubenserfahrung, Irritation, Überraschung, Freude – und Lernbedarf! Wir wünschen uns darüber hinaus – dass die Synode selbst ihre Ergebnisse in einem Schlusswort – vielleicht auch in einer Selbstverpflichtung zusammenfasst und veröffentlicht. Und darüber hinaus: so berechtigt die Frage danach ist, was die Synode bewirken soll – ich vertraue fest darauf, dass Gottes Heiliger Geist uns zu Erfahrungen und Begegnungen leiten wird, die aus sich heraus Wirkung entwickeln werden.
Wer organisiert das alles, wer ist hier von uns in der Kleeblatt-Region maßgeblich an der Vorbereitung beteiligt?
Für die Reformationssynode arbeiten Jens-Peter Bentzin aus Monschau, Johannes de Kleine aus Jülich, Superintendent Hans-Peter Bruckhoff aus Aachen, Superintendent Burkhard Kamphausen aus Krefeld-Viersen und ich mit. Für Frauke Laaser vom Gemeindedienst für Mission und Ökumene, jetzt im Mutterschutz, arbeitet Pfarrer Stephan Dedring als „Hausherr“ des Veranstaltungsortes mit. Darüber hinaus gibt es einen Arbeitskreis zur Vorbereitung der Gottesdienste und liturgischen Veranstaltungen bei der Synode, es gibt eine Redaktionsgruppe, die den Textbeitrag des Kleeblatts zur Synode verantwortet, und wir haben eine Mitarbeiterin eingestellt, die die administrativen Dinge für das Fest der Begegnung und die Reformationssynode erledigen soll.
Was muss erfüllt sein, damit Sie nachher die Synode als erfolgreiche Veranstaltung empfinden? Was wünschen Sie sich persönlich?
Ich persönlich wünsche mir, dass wir zwei volle, geistreiche, beflügelnde Tage haben, an denen wir „erlöst, vergnügt, befreit“ unseren Glauben gefeiert haben. Ich wünsche mir, dass wir Muße finden, die Vielfalt der Menschen auf der Synode auf uns wirken zu lassen. Dass wir überrascht werden. Ich wünsche mir, dass Fehler erlaubt sind und am Samstagabend die Synodalen den Schlusschoral pfeifen, wenn sie nachhause kommen.
Die Fragen stellten Caren Braun (Kirchenkreis Aachen) und Johannes de Kleine (Kirchenkreis Jülich).