Von Martina Stöhr
Aachen „Trotz aller Hilfen sind sie doch allein mit ihrer Trauer, mit ihren bangen Fragen und mit ihrer Angst vor dem Morgen.“ Sylvia Engels, Pfarrerin der ökumenischne Citykirche, zeigte sich tief ergriffen von den Folgen der Flutkatastrophe. „Die Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf“, sagte sie und erzählte von zwei Brüdern, die sich vor dem zerstörten Elternhaus weinend in den Armen lagen. „Wie lange wird es dauern, bis sie mit diesem Trauma weiterleben können?“, fragte sie im Rahmen des ökumenischen Solidaritätsgottesdienstes, zu dem das Team der Citykirche eingeladen hatte.
Mit Fürbitten und wunderbarer Musik (Johannes Flamm, Klarinette, und Alfred Krauss, Akkordeon) bot sich den Gottesdienstbesuchern Gelegenheit, innezuhalten und den Opfern der Katastrophe zumindest in Gedanken nahe zu sein.
„Die Hilfsbereitschaft ist enorm“, stellte die Pfarrerin fest, und das liege wohl auch daran, dass wir alle uns bewusst seien, dass auch uns ein solches Unglück geschehen könne. „Die Solidarität ist eine gemeinsame Macht, um sich aus dieser Ohnmacht zu befreien“, sagte sie weiter.
Der Blick auf die traurigen Reste vieler erfüllter Leben macht offensichtlich auch den Notfallseelsorger Frank Ertel zutiefst betroffen. „Zumindest haben wir keine Toten zu beklagen“, sprach er das aus, was wohl viele in diesen Tagen denken. Aber die verzweifelten Fragen wie „Ist dieser Schrotthaufen mein ganzes Leben?“ und „Was bleibt mir noch?“ stünden nach wie vor im Raum. Und nachdem er sich selbst in der Vergangenheit immer wieder mit dem Konzept des „Wegwerfens“ und minimalistischer Lebensformen befasst habe, werde er hier mit ganz neuen Dimensionen des „Wegwerfens“ konfrontiert. Nur mit Vertrauen, Geduld und Verheißung sei diese Katastrophe zu bewältigen, sagte er weiter.
Augenzeugen berichten
Und es sind wohl die immer wiederkehrenden Augenzeugenberichte, die die Menschen zutiefst erschüttern. Bürgermeisterin Hilde Scheidt erzählte von ihren Besuchen in Kornelimünster, der „Perle an der Inde“, und von Stolberg-Mühle: Alles zerstört, alles verschlammt – und in Stolberg mittendrin ein bunter Farbklecks in Form einer roten Samtdecke auf einem Versorgungstisch für die Einsatzkräfte. „Der war wie ein Hoffnungsschimmer auf bessere Zeiten“, sagte Scheidt. Doch auch sie ist es überzeugt, dass es einen langen Atem brauchen wird, bis all die vielen Schäden behoben sind. Und auch sie hofft, dass die Solidarität mit den Opfern anhalten möge.
Hinter allem stand schließlich auch der Gedanke, dass „wir Menschen begreifen müssen, wie verletzlich wir sind“. So formulierte es Hilde Scheidt. Und alle gemeinsam forderten zu einem Umdenken und zu einem sorgsamen Umgang mit der Natur auf, denn auch die Natur verdiene unsere Solidarität.
Andacht in Kornelimünster
Bereits am Freitagabend gab es in der evangelischen Kirche in Kornelimünster eine Andacht für die Opfer der Flut. Den Menschen einen Raum zu bieten, um zusammenkommen, hält Geesche Herrmann, Presbyterium Evangelische Kirchengemeinde Kornelimünster-Zweifall, in diesen schweren Tagen für enorm wichtig. Keine Frage also, dass die Gemeinde an einer von der Evangelischen Kirche landesweit organisierten Andacht mit Glockenläuten teilnahm. Lieder, Gebete und vor allem das Gefühl, nicht allein zu sein, standen im Mittelpunkt dieser kleinen Andacht.
Überlaufen war die Kirche dabei nicht. „Viele unserer Gemeindemitglieder sind noch im Einsatz“, sagt Geesche Herrmann. Gemeinsam mit Skrållan Dietrich (Gesang und Gitarre) führte Geesche Herrmann die Gemeindemitglieder von Gebet zu Gebet und von Lied zu Lied.
„Wir denken an die Menschen, die ihr Leben verloren haben, und wir beten um Kraft für deren Angehörige“, sagte sie gleich zu Beginn. Sie dankte für die Welle der Solidarität, die die Flutkatastrophe ausgelöst hat, und betete gleichzeitig um Einsicht, „damit wir unsere Lebensgrundlage nicht weiter zerstören“.
„Gott trägt keine Schuld. Der Mensch handelt immer in Eigenverantwortung“, sagt sie. Und so waren die ausgewählten Texte von großem Gottvertrauen geprägt. „Auf Dich vertraue ich und fürchte mich nicht“, hieß es an einer Stelle und dann auch: „Selig sind die, die da Leid tragen, sie sollen getröstet werden.“
Trost werden die Menschen in Kornelimünster noch lange brauchen. Das weiß auch Geesche Herrmann. In den vergangenen Tagen waren neben Pfarrerin Ute Meyer-Hoffmann viele Gemeindemitglieder unermüdlich im Einsatz, um zu helfen und zu trösten.
(aus: AZ/AN v. 26.07.2021)