Von Laura Beemelmanns
Stolberg. Das Hromadka-Haus in Zweifall passt so ein bisschen zu den Menschen, die es bald bewohnen werden. Es hat selbst eine bewegte Geschichte, seine zukünftigenBewohner erst recht.
Nach vier Jahren Leerstand, einigen Um- und Anbauten und wechselnden Besitzern wurde das Haus aufwendig vom Zentrum für soziale Arbeit (ZfsA) in der Trägerschaft des Evangelischen Frauenvereins in Aachen renoviert. In Zusammenarbeit mit der evangelisehen Kirchengemeinde Zweifail-Kornelimünster als Verpächter und dem ZfsA als Pächter hat das Hromadka-Haus nun also einen neuen Zweck.
Im Domröschenschlaf
Doch zunächst galt es, das Gebäude von innen und außen auf Vordermann zu bringen. „Es war im Dornröschenschlaf", sagt der Einrichtungsleiter vom ZfsA, Udo Wilschewski. Hecken und Äste mussten geschnitten, Wege wieder begehbar gemacht, Türen lackiert, Möbel gekauft, Tapeten abgerissen und neue angebracht werden.
Mit diesen Arbeiten haben die Handwerker und viele Freiwillige, unter anderem von der Evangelischen Jugend Zweifall, im Februar begonnen. In dieser Woche können die ersten Bewohner einziehen. Sie sind Flüchtlinge, genauer gesagt, jugendliche Früchtlinge im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Oft waren sie über viele Monate oder sogar Jahre unterwegs, um aus ihrer Heimat zu fliehen - teilweise angewiesen auf Schlepperbanden und vor allem eines: ihren Überlebenswillen.
Ein eigenes Zimmer
Die meisten jugendlichen Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, sind junge Männer. Mädchen schaffen es in den seltensten Fällen", sagt Wilschewski. „Entweder werden sie von ihren Familien gar nicht erst losgeschickt, schaffen es körperlich nicht oder werden zum Teil auch zur Prostitution gezwungen."Täglich kommen im Durchschnitt etwa sechs Jugendliche im ZfsA in Aachen-Burtscheid an. Und die müssen natürlich irgendwo untergebracht werden.
In verschiedenen Gruppen sollen die Jugendlichen mit und mit im Hromatka-Haus einziehen. In dieser Woche die ersten, in den nächsten Tagen und Wochen weitere, bis die Höchstzahl von 21 Bewohnern erreicht ist. Jeder von ihnen erhält ein eigenes Zimmer, das sogar mit sanitären Anlagen ausgestattet ist, da das Haus früher einmal eine Ausbildungsstätte war.
Unterschieden wird unter anderem zwischen einer sogenannten Clearinggruppe - eine Gruppe mit sieben Jugendlichen -, die vorerst für drei Monate dort bleiben und deren gesundheitlicher und ausländerrechtlicher Status erst geklärt werden müsse und weiteren Regelgruppen, sagt Wilschewski. Also Jugendlichen, die bis zur Volljährigkeit vermutlich dort bleiben können.
Besondere Atmosphäre
Zweifall bietet den Jugendlichen eine ganz besondere Atmosphäre. „Es ist wie ein Nest dort", sagt Wilschewski. Das Haus liegt in einer ruhigen Umgebung. So könne „Dorfgemeinschaft erlebbar" gemacht werden. Die direkten Nachbarn wurden zudem schon in das Hromadka-Haus eingeladen. Ihnen wurde erklärt, was da gerade mit dem Haus passiert und vor allem, wer einziehen wird. „Es gingen Gerüchte um, dass dort 200 Flüchtlinge einziehen sollen, aber es werden nur 21 sein. Diese Gerüchte und anderes wollten wir aus dem Wegräumen", sagt Wilschewski. Durch solche Treffen und Erlärungen sollen Ängste und Vorurteile abgebaut werden. Die engsten Nachbarn haben aber durchweg positiv reagiert, sagt er.
Dass dieser erste Kontakt besonders hilfreich ist, weiß Wilschewski aus Erfahrung. Für die Flüchtlinge sei es wichtig, in dem Ort, in dem sie leben, Anschluss zu finden und sich dort wohl zu fühlen. In den meisten Fällen klappt das auch ganz gut. Denn viele Menschen sind offen für ihre neuen Nachbarn und wollen ihnen helfen. Das funktioniert oft so gut, dass das ZfsA sich vor Ehrenamtlern kaum retten kann. „Wir würden uns sehr freuen, wenn auch in Zweifall Vereine oder auch Privatleute Lust und Zeit haben, den Flüchtlingen Nachhilfe oder Sportgruppen anzubieten", sagt Wilschewski.
Aber auch Änderungen am Haus selbst stehen noch an. Ein Gemüsebeet wäre beispielsweise ein Projekt, das vor allem auch mit Hilfe von ehrenamtlichen Helfern mitgetragen werden könnte.
Im September werden alle 21 Jugendliche dort eingezogen sein. „Dann wird es eine offizielle Eröffnung geben", sagt Wilschewski. Und wenn sich im Herbst auch Ehrenamtler melden würden, wäre das für die Flüchtlinge am besten.
„Bis dahin sind sie alle eingezogen und haben sich an ihre neue Umgebung in Zweifall und ihr neues Leben gewöhnt", sagt Wilschewski. Denn oft sei es genau das, was sie brauchen: Ruhe.
Ruhe nach all den Strapazen der Flucht, des Verlustes der Familie, der Angst.
Außerdem, so sagt Wilschewski, seien die jungen Flüchtlinge „Schätze". Denn „sie bringen so viel mit und von ihnen kann man sehr viel lernen."
Bewegte Geschichte: Altbau, Anbau, Neubau
Das Hromadka-Haus ist nach dem tschechoslowakisch evangelisch-lutherischen Theologen Josef Lukl Hromädka benannt.
Errichtet wurde das an der Apfelhofstraße gelegene Gebäude in Zweifall bereits im Jahr 1883.
Da das Haus aber nur über wenig Raumkapazität verfügte, wurde im Jahr 1972 ein Neubau errichtet. Der Ziegelsteinbau, der im Dachbereich einen Saal und im Erdgeschoss Übernachtungsmöglichkeiten bot, wurde kurz nach der Fertigstellung mit dem Altbau verbunden.
Eine zweite Erweiterung erfolgte im Jahr 1980. Dabei entstanden ein Heimleiterwohnhaus und ebenfalls ein Anbau. Auch diese sind inzwischen mit dem Altbau verbunden.
Ab dem Jahr 2003 wurde das Hromadka-Haus als Ausbildungsstätte für Zivildienstleistende genutzt. Ab 2006 pachtete Rob Heijne das Gebäude, in dem fortan niederländische Krebspatienten Erholung finden sollten. Im Jahr 2011 gab er es wieder an den Eigentümer zurück. Die darauffolgenden vier Jahre stand das Haus leer.
Die neuen Pächter sind Cornelia und Udo Wilschewski vom Zentrum für soziale Arbeit (ZsfA) in Aachen-Burtscheid in der Trägerschaft des Evangelischen Frauenvereins Aachen. Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, kann sich bei Teamleiter Gilbert Vermeulen unter Tel.0151/62508530 melden.
(Stolberger Zeitung vom 11.06.2015)
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