Ein neues Klangkleid für eine Königin der Instrumente: Jetzt können dank moderner Technik viele Werke weit besser zu Gehör gebracht werden. Eine höchst raffinierte manuelle Mechanik erleichtert das Spiel erheblich.
VON RAUKE XENIA BORNEFELD
Aachen. Es wird auch weiterhin kein Orgelsolo von Deep Purple auf der Weimbs-Orgel der Annakirche zu hören sein - es sei denn, ein Organist spielt es. Bedeutet: Die Tasten können auch weiterhin nur von Hand betätigt werden. „Die Klangerzeugung bleibt mechanisch", bestätigte Harry Dix. Daran ändert auch die Setzeranlage mit USB-Schnittstelle nichts, die der Orgelbaumeister von der Herstellerfirma Weimbs aus Hellenthal in die 22Jahre alte Orgel einbaut.
Annakantor Georg Hage freut sich - trotzdem oder gerade deswegen - schon jetzt auf seinen ersten Einsatz nach fünfmonatigen Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten an "seiner" Orgel.
Denn: „Einige Werke waren bisher hier kaum spielbar", erläutert Hage. Bislang musste der Organist die 34 Registerzüge für die über 200 Pfeifen von Hand bedienen. "Hat ein Stück starke Wechsel in der Wechsel in der Klangfarbe, mutete das manchmal schon artistisch an." Krafttraining für die Finger kann Hage aber brauchen. Denn die dreimanualige Orgel funktioniert auch weiterhin mechanisch, die Pfeifen öffnen sich also nur per Fingerdruck auf die Tasten, so dass der Wind den Ton erzeugen kann. „Sind alle drei Manuale gekoppelt und ist virtuoses Spiel gefordert, kann das schon mal in Schwerstarbeit ausarten", erzählt er. „Eine mechanische Klaviatur eröffnet aber auch ein viel differenzierteres Spiel."
Doch das Turnen auf der Orgelbank, um die Registerzüge zu ziehen, hat ab Ende September ein Ende. Dann müssen nur noch einige kleine Knöpfe unterhalb der Klaviatur bedient werden, wodurch die gewünschten Registerzüge wie von Geisterhand heraus- oder wieder hineinfahren. Hauptwerks. oder wieder hineinfahren. Zusammenstellung und Reihenfolge kann der Organist zuvor programmieren - dank USB-Schnittstelle auch am heimischen Rechner. Das Bedienen von Hand bleibt zudem weiterhin möglich.
Die Geisterhand sind Elektromagneten, die die Registerzüge bewegen. Gesteuert werden sie von der Setzeranlage. „Eine de neuesten Generation", betonte Dix. Darauf wartete die evangelische Kirchengemeinde Aachen dann auch gern noch ein paar Wochen. Ursprünglich wollte die Gemeinde schon kurz vor den Sommerferien die Wiederinbetriebnahme mit einem musikalischen Gottesdienst begehen. Da die Setzeranlage jetzt erst auf den Markt gekommen ist, übten sich alle noch einige Zeit in Geduld.
Zusätzlich kümmern sich Dix und ein Orgelbaulehrling um die Reinigung aller Orgelkomponenten. Das heißt 2272 Pfeifen ausbauen, reinigen - manche auch feucht - und wieder einbauen. Außerdem werden die Windbälge neu beledert. Abschließend wird die Intonation der Orgel den neuen baulichen Begebenheiten in der Annakirche angepasst.
Rund 130 000 Euro investiert die Gemeinde in die Renovierung, weniger als ein Viertel seines heutigen Wertes von ungefähr 600 000 Euro. Mit etwa der Hälfte schlägt die elektronische Aufrüstung zu Buche. Eine gute Investition, wie Hage findet: „Die Weimbs-Orgel in der Annakirche ist eine der größten und qualitativ hochwertigsten Orgeln der Region. Gut gepflegt können solche Orgeln hunderte Jahre alt werden."
(AZ-Bericht vom 15.07.2016)