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Gott hält keinen Abstand!

Osterbrief von Superintendent Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff: "Glaube, Liebe und Hoffnung sind stärker als der Tod"

Liebe Gemeinde,

ich grüße Sie zum Osterfest in diesem Jahr 2020, das für uns so ganz anders verläuft als in den Jahren zuvor.  Diese Tage und Wochen sind eine herausfordernde Zeit, eine Ausnahmesituation auch für unsere Gemeinden.

Das, was unser Gemeindeleben ausmacht, dass wir uns hier treffen, einander die Hand reichen und Nähe zulassen, uns austauschen, etwas miteinander erleben und etwas für andere tun – all das ist so momentan nicht möglich. Das Herzstück des Gemeindelebens, im gemeinsamen Gottesdienst zu Gott, zueinander und zu uns selbst zu finden, kann so zur Zeit nicht stattfinden, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verlangsamen.

Vielleicht liegt darin auch eine Aufgabe und eine Frage für uns in den Ostertagen im Jahr 2020.

Was fehlt uns jetzt eigentlich, besonders an den bevorstehenden Festtagen zu Ostern? Was ist eigentlich Gottesdienst? Was geschieht da?

Im Gottesdienst können wir unsere Sorgen um andere und um uns loslassen und im Gebet vor Gott bringen.

Unsere Freude und unsere Dankbarkeit über die Erfahrungen und Aspekte unseres Lebens, die uns auch in diesen Wochen stärken und ermutigen, können wir im gemeinsamen gottesdienstlichen Singen verstärken. Wir spüren in der Gemeinschaft auch deutlicher, dass wir Grund zum Loben und zur Freude haben.

Mit unseren offenen Fragen, unseren Hoffnungen und auch unseren Zweifel kommen wir im Gottesdienst zu Gott und gewinnen im Hören auf sein gutes Wort neu Zuversicht und Orientierung für unser Leben.

In der Gemeinschaft des Abendmahles am Tisch des Herrn sind wir eingeladen, aufgehoben und geborgen mit unserer Sehnsucht nach erfüllten Leben. Die gemeinsame Feier ist Nahrung für die Seele.

Unseren Hunger nach Gerechtigkeit, unsere Verantwortung für die Welt und unseren Nächsten bringen wir in der Fürbitte vor Gott und erfahren unter dem Segen, der uns ganz persönlich in jedem Gottesdienst zugesprochen wird, die Kraft, um gestärkt in unseren Alltag zu gehen.

Das alles findet in diesem Jahr nicht in gewohnter Weise in unseren Kirchen statt, wir müssen Abstand halten.

Aber Gott hält nicht Abstand zu uns in diesen Zeiten. Er sucht und findet uns. Er hat Wege, uns in Seinem Geist zusammenzuführen. Wir sind auch in dieser Zeit nicht uns selbst überlassen.

Wo und wie also feiern wir als Kirche, als Gemeinschaft der Glaubenden Gottesdienst zum Osterfest 2020?  

Ich bin bei allem, was wir in diesen Wochen vertagen müssen, bewegt und gestärkt durch die liebevolle Phantasie vieler Menschen in unserer Kirche und Diakonie, mit der sie Mittel und Wege finden, diejenigen nicht im Stich zu lassen, die uns jetzt brauchen.  Ich bin begeistert und getröstet über die vielfältigen Angebote unserer Gemeinden, wie sie auf der Homepage unseres Kirchenkreises sichtbar wird: die Fernsehgottesdienste, die vielen Angebote von Internet-Gottesdiensten, Podcasts, Trostworten, interaktiven  Angeboten im Netz, darüber hinaus aber genauso: persönliche Briefzustellungen mit Meditationen und Liturgien, um zur selben Zeit jede und jeder in den eigenen vier Wänden geistlich miteinander verbunden zu sein, zu singen, zu beten und zu glauben, das gemeinsame abendliche Glockenläuten um 19.30 Uhr, mit einem Licht, das wir anzünden, Gebet und Trost im Telefongespräch, Gemeindebriefe und Sonderausgaben, um unsere Gemeindeglieder, die nicht im Internet zu Hause sind, aktuell zu erreichen.

In all diesen Angeboten und auf diesen unterschiedlichen Wegen erreichen wir einander, nicht leiblich, das geht momentan nicht, aber doch persönlich und im Geist. Wir sind davon überzeugt, dass Gott in all diesen Formen und bei jedem stillen Gebet eines einzelnen Menschen in seinem Kämmerlein gegenwärtig ist – gerade jetzt! Das Wort Jesu in Matthäus 18, 20 gewinnt in diesen Tagen eine ganz aktuelle Bedeutung: Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18, 20)

Was feiern wir in den kommenden Festtagen?

In der evangelischen Tradition ist ursprünglich der Karfreitag der große Gottesdienst und die entscheidende Station auf Ostern zu. Da werden wir mit hineingenommen in das Ziel und Ende des Leidensweges Jesu, seinen Tod am Kreuz. Da gibt es keine Möglichkeit, wegzuschauen. Da stellt Gott das Kreuz Jesu Christi mitten hinein in unser Leben. Im Namen Jesu dürfen und müssen wir auch heute nicht wegschauen, wo Menschen leiden und die Schöpfung geschunden wird. Weil Gott sich unseres Lebens annimmt mit diesen Untiefen.

Am Karfreitag in einem stillen Moment vor dem Kreuz finden auch wir in diesem Jahr im Gebet und in der Meditation unseren Platz vor Gott mit allem, was uns das Leben schwer macht, mit allem Zerstörerischen und Lebensfeindlichen in unserer Welt.

Karfreitag wird deutlich, Gott geht nicht vorbei an dem, was in unserem Leben in die Schieflage geraten ist. Gott geht nicht vorbei an dem, was die Corona-Pandemie jetzt für Menschen bedeutet. Nicht an denen, die lebensbedrohlich betroffen sind von dieser Krankheit, nicht an denen, die in vielen Berufen unser Gesundheitssystem, insbesondere die Pflege der Menschen, aufrechterhalten und darüber hinaus die Grundversorgung mit allem, was wir brauchen, gewährleisten. Genau dieser aufopferungsvolle Dienst vieler Menschen, die jetzt Tag für Tag gesundheitliche Risiken auf sich nehmen und sich mit ganzer Kraft für uns einsetzen, ist der gelebte Gottesdienst im Alltag der Welt.

Karfreitag 2020 heißt für uns: Gott geht nicht vorbei an uns persönlich, die wir sehr unterschiedlich mit diesem Ausnahmezustand umgehen und fertig werden. Im Kreuz Jesu ist Gott gegenwärtig und zur Stelle im Scheitern und im Leiden seiner Schöpfung. Gott nimmt Anteil an meiner ganz persönlichen Sackgasse und an den Sinnlosigkeiten, Abgründen und Aussichtslosigkeiten in unserem Leben. Er steht nicht über den Dingen, sondern an unserer Seite, wenn es dunkel wird in uns und um uns. Von Karfreitag bis Ostern nimmt Gott uns an die Hand, zieht uns durch unser Leben mit allem Sterben hindurch zum Ostermorgen, der ja nach den biblischen Erzählungen still und leise beginnt. Die Frauen machen sich in der Frühe auf den Weg zum Grab, um dem Leichnam des geliebten Menschen die letzte Ehre zu erweisen und Abschied zu nehmen. So ganz anders kehren sie heim nach der Entdeckung des leeren Grabes und der Begegnung mit dem Auferstandenen. Aufgewühlt sind sie und voller Unglauben reagieren die Jünger. Die Wahrheit der Liebe Jesu, die durch den Tod geht und von Gott zu neuem Leben auferweckt wird sprengt unsere Vorstellungen, ist viel dichter und gewaltiger als das, was wir Realität nennen, als die vorfindliche Wirklichkeit unseres alltäglichen Lebens, in der wir uns eingerichtet haben, mit allen Schranken, Kompromissen und Grenzen. Und so stehen wir auch heute vor dieser Bewegung von Karfreitag zu Ostern und können es nicht begreifen, können aber spüren und empfangen, dass wir ergriffen werden von Glaube, Liebe und Hoffnung, die stärker sind als der Tod.

Paulus beschreibt die österliche Dimension angesichts der Vergänglichkeit unseres Lebens im ersten Korintherbrief 15, 42-44 und 54-57.

„So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“

Vielleicht ist gerade die Zeit jetzt die Aufforderung an uns Christen, diese Dimension unseres Glaubens und diesen österlichen Blick auf die Wirklichkeit einzubringen: Die Liebe bestimmt unser Leben mehr als uns vor Augen steht und wir daraus machen. Weil Christus auferstanden ist, gibt es im Namen Jesu kein endgültiges Scheitern und keine vergebliche Liebesmühe in unserem Leben. Als Christen dürfen wir hoffen. Der Auferstandene lebt. Auf Sein Wort hin wagen es Menschen zu allen Zeiten mit dem neuen Leben. Auch in diesen Wochen der Zurückgezogenheit und Einsamkeit für manche Menschen verbindet uns ein geistliches Band, hält Gott uns bei sich und zusammen, Sein Wort und sein Geist tragen uns auch durch diese lebensbedrohlichen Zeiten. In dieser Hoffnung lasst uns Ostern 2020 auf ganz verschiedene Weise, einzeln und doch verbunden miteinander feiern.

Die Osterbotschaft, die wir 2020 miteinander teilen lautet:  in Gottes Namen gibt es ein Leben vor dem Tod, in allen Bedrängnissen und Einschränkungen, in aller Ungerechtigkeit und eigenen Schuld, mitten in unserer unfriedlichen und zerrissenen Welt. Und dieses neue Leben vor dem Tod wird überall da spürbar, wo Menschen in Liebe und Solidarität füreinander einstehen, einander trösten und der Liebe Gottes mehr zutrauen als unseren zerstörerischen Kräften.

In Gottes Namen gibt es auch ein Leben durch den Tod hindurch in der Gegenwart bei Gott, der keines seiner Geschöpfe aus der Hand gibt.

In dieser Hoffnung, die Gott uns unabhängig von unserem Optimismus oder Pessimismus schenkt, feiern wir als Christen mit allen Menschen in diesem Jahr 2020 Ostern und feiern das Leben und die Liebe, die stärker sind als der Tod.

Ich grüße Sie und Euch herzlich mit dem altkirchlichen Ostergruß, mit dem Christen einander seit jeher begrüßen.

Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
 

Ich wünsche Ihnen und Euch ein gesegnetes und behütetes Osterfest 2020!

Hans-Peter Bruckhoff

 

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