Zur Heiligtumsfahrt 2023 in Aachen wurden nicht nur Dom und Katschhof zu einem Ort des besonderen Erlebnisses. Auch die Justizvollzugsanstalt nahm am 12. Juni daran teil und ließ die Inhaftierten mit einer besonderen Aktion teilhaben: eines der Heiligtümer, das Enthauptungstuch Johannes des Täufers, fand seinen Weg hinein in diese Mauern… Aber nicht ohne Gegenleistung. Die Schutzmantelmadonna aus unserer Kapelle, die zwei Inhaftierte unter ihrem Mantel schützt, war zeitgleich anstelle des Tuches im Dom zu sehen.
Heiligtumsfahrt mal anders: als Geben und Nehmen
Eine solche Besonderheit kann hier nur ökumenisch und auch dienstübergreifend gestaltet werden und so war es auch. Pfarrer Horst Grothe und Pfarrerin Sabine Reinhold, beide evangelische Gefängnisseelsorgende in der JVA Aachen, gehörten zur Pilgergruppe des katholischen Pastoralreferenten Norbert Schall-Grootjans, die bei der Pilgermesse auf dem Katschhof mit einzogen. Einer der Beamten durfte das Tuch während der Messe präsentieren. Die Maria der Inhaftierten war deutlich präsent im Altarbereich.
Bunt gemischte Gruppen nahmen an den Impulsen in der JVA teil
Mit dem „Tausch der Heiligtümer“ ging es zurück hinter unsere Mauern. Dort wurden wir erwartet. Etwa 150 Personen, vom U-Gefangenen bis zur Leitung bunt gemischt, nahmen bei den fünf Impulsen mit Einführung zu dem Tuch teil. Alle Seelsorger*innen waren beteiligt mit dem je selbst gewählten Schwerpunkt. Immer dabei die feste Crew der Bediensteten, die auch schon in der Messe waren, und natürlich auch Unterstützung aus der Domschatzkammer.
Anwesenheit des Tuches hatte berührende Wirkung
Es war tief berührend, was es für die Einzelnen bedeutete, hier dabei zu sein, als Aktiver, als Schauende*r, als Vorbereitende*r. Von der Anwesenheit des Tuches ging eine Wertschätzung aus, die nicht in Worte zu fassen ist. Umgekehrt wurde uns von unserer Madonna erzählt, wie sehr sie – man kann sagen – geherzt worden ist im Dom: ein Heiligtum zum Anfassen!
Mir ist als Evangelische die Reliquienverehrung fremd, aber die Menschen innerhalb und außerhalb der Mauern wurden an diesem Tag berührt – auch ich - von etwas, das größer ist als alle Skepsis und wer bin ich, dass ich meinem Gott nicht auch einen solchen Weg zutraue.
Sabine Reinhold