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Menschliches Schulskelett in Schleiden beerdigt

Oberstufenkurs Ev. Religion begibt sich auf Spurensuche - Interreligiöse Zeremonie mit großem Medieninteresse

Wer immer Ahn-Bian gewesen ist, über mangelnde Aufmerksamkeit konnte sie sich auch nach ihrem Tode nicht beklagen. Da waren nicht nur die Generationen von Schülern, die viele Jahrzehnte lang ihre Kenntnisse über das menschliche Skelett anhand ihrer Knochen lernten, sondern auch die vielerlei Vertreter von Radio, Fernsehen oder Print, die am Mittwochvormittag ihren letzten Gang begleiteten, als handele es sich um die Beerdigung einer prominenten Persönlichkeit. Dabei handelte es sich nur um die sterblichen Überreste einer unbekannten Frau, deren Skelett als Demonstrationsobjekt im Biologieunterricht in Schleiden gedient hatte.

Einen Namen hatte Ahn-Bian (vietnamesisch für „geheimnisvoller Frieden") in ihrer Zeit am Städtischen Johannes-Sturmius-Gymnasium nicht. Erst die Schüler des Evangelischen Religionskurses der Q1 hatten sie so getauft, als sie versuchten, Informationen über sie herauszufinden. Doch niemand wisse, so führte der evangelische Pfarrer und Religionslehrer Oliver Joswig aus, wer diese Frau gewesen sei, deren Skelett im Biologieunterricht in Schleiden verwendet worden ist. Da nicht einmal ihre Religion bekannt war, wurde sie in einer interreligiösen Zeremonie bestattet. Die Schülerinnen Melinda Hörnchen, Lea Höffgen und Filiz Tas hatten zuvor den Sarg mit Symbolen der großen Weltreligionen geschmückt.

Dass echte Skelette damals im Biologieunterricht verwendet worden seien, sei normal gewesen. Zwar habe es im 20. Jahrhundert bereits Plastikskelette gegeben, doch deren Qualität sei so schlecht gewesen, dass auf echte Skelette zurückgegriffen worden sei, erklärte Joswig. „Das hat sich aber mittlerweile geändert“, sagte er.
 

Spurensuche im Stadtarchiv

Schon seit vielen Jahren wurde das echte Skelett mittlerweile nicht mehr im Unterricht verwendet. Ein Modell aus Kunststoff hat schon seit vielen Jahren die Nachfolge angetreten. „Ich habe es in den letzten zehn Jahren nicht verwendet“, sagte Andreas Schröder, Biologielehrer und Notfallseelsorger.

Angeregt worden war die Aktion, nachdem in Stolberg das Schulskelett beerdigt worden war. Von Religions- und Biologielehrern sei gleichermaßen die Initiative ausgegangen, dies auch in Schleiden zu machen, erklärte Joswig. Danach habe es noch eine Zeitlang gedauert: „Das musste wachsen“, so der Hellenthaler Pfarrer.

Aufgegriffen wurde die Anregung von den Schülern des evangelischen Religionskurses Q1. Sie begaben sich auf die Spurensuche. Doch viel hätten sie nicht finden können, erläuterte Joswig. Einzig im Archiv der Stadt Schleiden habe sich ein Eintrag aus dem Jahr 1952 finden können, dass ein Skelett für das Städtische Gymnasium für 600 D-Mark gekauft worden sei. Um vielleicht noch weitere Erkenntnisse über die Herkunft der Frau gewinnen zu können, wurde bei der Sarglegung ein Zahn zurückbehalten, dessen DNA noch analysiert werden soll. Die Informationen, die dabei gewonnen werden, sollen auf einer Platte über dem Grab verewigt werden.

„Es war ein sehr ungewöhnlicher Unterricht“, sagte Jason Bergen, Schüler des evangelischen Religionskurses. Es sei spannend gewesen, sich auf die Spurensuche zu begeben. Er habe dabei sehr viel über den Tod und die verschiedenen Religionen gelernt. „Das ist eigentlich der perfekte Abschluss“, äußerte er.

Mensch, nicht mehr nur Skelett

„Wir haben mittlerweile eine Beziehung zu der Frau aufgebaut“, sagte Carsten Schlott, katholischer Religionslehrer an der Schule. Als er die Knochen des Skelettes auseinandergenommen und dann in den Sarg gelegt habe, habe er Gefühl der Ehrfurcht diesem Menschen gegenüber verspürt. „Ich fand es eine wundervolle Erfahrung, diesem Menschen eine Beerdigung zu schenken“, so Schlott.

„Ich finde das eine super Idee“, sagte Norbert Müller, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Schleiden. Er selbst habe noch das Skelett im Biologieunterricht erlebt, als er 1969 an die Schule gekommen sei. „Damals war das einfach normal, ich habe nicht einmal gewusst, dass es echt war“, so Müller. Der Person sei eine würdige Bestattung bereitet worden, „Die haben das toll gemacht“, freute er sich.

Angeführt von den Schülern Jason Bergen, Leon Hübner, Dino Halilic und Fabian Schneider, die den Sarg trugen, ging der Beerdigungszug mit rund 150 Schülern zum Evangelischen Friedhof. Hier war beim Ausheben der Grube eine Gruft gefunden worden, in der Ahn-Bian ihre letzte Ruhestätte fand. Mit Musik, Beiträgen der Schüler und Ansprachen von Joswig und Schlott wurde die Feier gestaltet. Zum Abschluss und als letzten Gruß an ihr einstiges Schulskelett, das nun wieder als Mensch behandelt worden war, warfen die Schüler noch etwas Erde auf den Sarg.  

Stephan Everling

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