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Promovierter Theologe, Blogger und Reformexperte

Akademie-Direktor Latzel wird neuer Präses der rheinischen Kirche

Düsseldorf (epd)

Thorsten Latzel steht für eine aufgeklärte Kirche, die fromm und politisch zugleich ist. "Ich brenne für unsere evangelische Kirche als eine weltoffene Gemeinschaft mit einem freien Glauben", sagt der wortgewandte und kommunikationsfreudige Theologe, der kreatives Denken zu seinen Stärken zählt. Als Nachfolger von Präses Manfred Rekowski steht der 50-Jährige in den kommenden acht Jahren an der Spitze der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seine Wahl zum leitenden Theologen der zweitgrößten deutschen Landeskirche am 14. Januar ist ein Signal für Aufbruch und Veränderung.

Erstmals bestimmte die rheinische Landessynode mit Latzel, der seit 2013 die Evangelische Akademie in Frankfurt leitet und bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Erfahrungen mit Reformprozessen gesammelt hat, einen Kandidaten "von außen" zum Präses. Von dem ebenso besonnen und reflektiert wie eloquent auftretenden Theologen wird offenbar die Steuerung, Begleitung und Kommunikation eines tiefgreifenden Wandels in den kommenden Jahren erwartet.

Die vor ihm liegenden Aufgaben haben es in sich: Die rheinische Kirche mit ihren 37 Kirchenkreisen und 655 Gemeinden steht mehr denn je vor der Frage, wie sie ihren Auftrag mit immer weniger Geld und immer weniger Mitgliedern erfüllen kann. Eine Studie sagt eine Halbierung der Mitgliederzahl in den nächsten 40 Jahren voraus, ein Impulspapier für die aktuell tagende Landessynode konstatiert das Ende der Volkskirche und auch der scheidende Präses Rekowski stimmte die Landeskirche zu Synodenbeginn auf tiefgreifende Veränderungen ein.

Kirche als "Ort der Hoffnung für die Welt"

Ideen für eine "weltoffene, gottvertrauende Kirche" als "Ort der Hoffnung für die Welt" bringt Latzel reichlich mit: Er wirbt für eine innovative Start-up-Kultur und neue Formen von Beteiligung, aber auch einen Umbau der Strukturen: "Wir werden auch mit weniger Menschen und Mitteln gut Kirche sein können, aber nicht in den jetzigen Formen. Sonst brennen wir aus."

Damit Kirche zukunftsfähig ist und die Weitergabe des Glaubens nicht abreißt, müsse den 20- bis 40-Jährigen ein besonderes Augenmerk gelten, rät Latzel. Im Zuge einer "Ermöglichungskultur" sollten junge Menschen mehr Verantwortung erhalten und auf die Kanzeln geholt werden. Von Laien lasse sich lernen, anders vom Glauben zu sprechen und aus Binnenmustern auszubrechen.

Latzel wurde am 29. September 1970 in Biedenkopf geboren und wuchs in einer strukturschwachen Region in Bad Laasphe im Kreis Siegen-Wittgenstein in einer interkonfessionellen Familie auf: der Vater Werkzeugmacher und katholisch, die Mutter Bankangestellte und evangelisch. Er studierte Evangelische Theologie in Marburg und promovierte 2002 in Heidelberg mit einer Arbeit über den Heidelberger Katechismus. Weil seine Frau Lehrerin in Hessen wurde, zog er von Westfalen in die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, wo er zunächst als Vikar und dann drei Jahre als Gemeindepfarrer arbeitete.

"Uns trennen theologisch Welten"

Im Jahr 2005 wechselte Latzel ins EKD-Kirchenamt, leitete als Oberkirchenrat das Projektbüro Reformprozess und war auch für Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen zuständig. Die ab 2013 von ihm geleitete Evangelische Akademie in Frankfurt stellte er 2017 konzeptionell neu auf und entwickelte sie zu einem gefragten Debattenort für theologische und gesellschaftliche Themen. Große Resonanz finden auch Latzels theologisch-essayistische Impulse jenseits des Kirchenjargons zu aktuellen Themen, die er regelmäßig im Blog "glauben-denken.de" veröffentlicht - eine Kontaktfläche zu Menschen, "die wir auf traditionellen Wegen nicht erreichen".

Latzel lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Darmstadt. Seine beiden älteren Geschwister sind ebenfalls Theologen. Von der fundamentalistisch-konservativen Haltung seines Bruders Olaf, der kürzlich vom Bremer Amtsgericht wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, distanziert sich Thorsten Latzel vehement und sagt: "Uns beide trennen theologisch Welten." Er selbst stehe für Wertschätzung, Vielfalt und Freiheit, betont der jüngste der Latzel-Geschwister, der sich als erster der drei fürs Theologiestudium entschied - und stets den Glauben und aufgeklärtes Denken zusammenbringen wollte.

Von Ingo Lehnick (epd)

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