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„Umkehr unseres Denkens und Handelns ist nötig“

Evangelischer Kirchenkreis Aachen geht bei Kreissynode weiter auf dem Weg zu einer „Kirche des gerechten Friedens“ – Neues Konzept ziviler Friedenssicherung soll Impulse in die Gemeinden und die Landessynode tragen

Als noch Sklaverei und Leibeigenschaft herrschten, erschien ihre Abschaffung als nahezu unvorstellbar. Ebenso war es mit der Gewalt in der Kindererziehung, die heute geächtet ist, und später mit dem Ausstieg aus der Atomenergie. Doch wurden diese historischen Beispiele Wirklichkeit. Eine ähnliche positive Vision diskutierte am Wochenende die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Aachen: das Szenario einer „Friedenssicherung ohne Militär“.

Im Ökumenischen Gemeindezentrum Frankental in Stolberg waren mehr als 100 Vertreter aus den evangelischen Gemeinden und Einrichtungen zusammengekommen, nicht nur um wichtige Beschlüsse für den Kirchenkreis Aachen zu fassen, sondern auch um sich mit den Ideen des Konzepts „Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik – Ein Szenario bis zum Jahr 2040“ zu beschäftigen. Nach dem Kirchenkreis-Jahresthema 2018 „Frieden geht anders“ setzt die Kreissynode damit ihren Weg zu einer „Kirche des gerechten Friedens“ fort.

Antrag zum „Friedenswort“ der Landessynode verabschiedet

Schon am Freitagabend hatten die Delegierten einen Antrag verabschiedet, in dem der Kirchenkreis Stellung nimmt zum „Friedenwort 2018“. Dieses Leitbild „Auf dem Weg zum gerechten Frieden“ hatte die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren als Diskussionsimpuls herausgegeben und um Rückmeldungen aus den Kirchenkreisen gebeten. „Wir haben erkannt, dass wir ‚Kirche des gerechten Friedens‘ nicht auf dem Weg von Papieren werden, sondern in einer Bewegung der Umkehr unseres Denkens und Handelns“, sagte der Superintendent des Kirchenkreises Aachen, Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, welcher auch in dem Arbeitskreis mitwirkte, der die Antwort auf das Friedenswort formulierte. „Der vorliegende Ansatz der badischen Landeskirche erscheint ein zentraler Anknüpfungspunkt, um von Anfang an theologische Orientierung, Bewusstseinsarbeit und Bildungsarbeit in Form einer Kampagne mit konkreten Schritten und Handlungsoptionen zu verbinden.“

Transformation der Bundeswehr bis zum Jahr 2040

Diese Kampagne, das Szenario „Sicherheit neu denken“, stellte am Samstag einer der Mit-Autoren vor. Ralf Becker war an dessen Entwicklung maßgeblich beteiligt und koordiniert im Auftrag der badischen Landeskirche jetzt Aktivitäten zu seiner Umsetzung. An der Kampagnenvorbereitung beteiligen sich bereits 14 meist bundesweite Organisationen. Der Kernpunkt: Eine Kampagne der Zivilgesellschaft und der Kirchen soll erreichen, dass Deutschland bis zum Jahr 2040 aus der militärischen Friedenssicherung aussteigt und stattdessen eine zivile Sicherheitspolitik betreibt. Diese Vision beinhaltet auch, dass die OSZE zur polizeilichen Sicherheitsorganisation für Europa ausgebaut und die Bundeswehr komplett zum Technischen Hilfswerk transformiert wird.

Das Szenario lädt dazu ein, eine Zukunft zu denken, in der die Bundesrepublik pro Jahr 70 Milliarden Euro (2 % des BIP) in die zivile Krisenprävention anstatt in die Bundeswehr investiert. Die Grundlage für diesen Plan seien bereits erprobte und realisierte Instrumente ziviler Prävention, so Referent Ralf Becker, sowie gerechtes Wirtschaften, die Förderung nachhaltiger Entwicklung im Nahen Osten und Afrika sowie eine Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft mit Russland bzw. der Eurasischen Wirtschaftsunion.

"Ich finde es prima, dass der Kirchenkreis Aachen die Jahreslosung 2019 'Suche den Frieden und jage ihm nach' so konkret umsetzt und bei der Kreissynode über konkrete Alternativen zur militärischen Aufrüstung berät“, sagte Ralf Becker. „Die Europäische Union hat es historisch geschafft, ihre internen Konflikte friedlich zu lösen. Europas Aufgabe und Chance ist es, diese Kultur ziviler Konfliktbearbeitung in die globalen Beziehungen einzubringen.“

„Militärische Sicherheitspolitik ist in der Sackgasse“

Nach der Vorstellung des Szenarios berieten die Synodalen in kleineren Gruppen über ihre Eindrücke und Meinungen dazu. „Es ist ein Konzept, das mir Mut macht, das neue Denken zuzulassen und selbst solche radikalen Veränderungen denken zu dürfen, ganz ohne Tabus“, sagte Pfarrerin und Schulreferentin Folke Keden-Obrikat, die eine der Diskussionsgruppen moderierte. Und Axel Schneider, ehemaliger Leiter der Aachener Viktoria-Schule und ebenfalls Gruppen-Moderator fügte hinzu: „Wir stehen heute mit unserer militärischen Sicherheitspolitik in einer Sackgasse. Das sehen wir zum Beispiel in Syrien. Deshalb bin ich dafür, einen anderen Lösungsweg zu finden.“

Kampagne kann viele der bisherigen Aktivitäten vernetzen

Superintendent Hans-Peter Bruckhoff betonte in der Diskussion um das weitere Vorgehen im Kirchenkreis Aachen in der Friedensarbeit: „Das Ganze ist ein Weg, den wir beginnen können, ohne ihn schon bis zum Ende ganz zu übersehen. Entscheidend wird sein, ob und wie wir uns gemeinsam auf den Weg machen und auftretende Fragen und Hindernisse gemeinsam angehen und bei auftretenden Meinungsunterschieden beieinanderbleiben und uns gegenseitig hinterfragen – im Blick auf das Ziel, das wir eben nur gemeinsam erreichen oder verfehlen können. Unsere Kreissynode kann diesen Impuls weiter sowohl in die Gemeinden als auch in die Landeskirche tragen. Diese Kampagne kann vieles von dem, was wir bisher schon tun oder beginnen vernetzen und in die größere Kampagne einmünden lassen.“

(Text und Fotos: Caren Braun)

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