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Was ist religiös am Fasten?

Historische und religiöse Hintergründe der Fastenzeit

von Lisa Rienermann

Gefastet wurde schon immer. Auch unsere Vorfahren in der Steinzeit werden gewusst haben, wie man aus der Not eine Tugend macht und Selbstbeherrschung ein­übt – für Zeiten des Mangels.

Jesus hat vierzig Tage lang ge­fastet. Er widerstand jeder Versuchung, heißt es (Matthäus 4). Die Zahl ist symbolisch: Vierzig Jahre sei das Volk Israel durch die Wüste gewandert, erzählt das vierte Buch Mose (14,33–34), bevor es in ein Land kam, in dem Milch und Honig fließen. Mit der Entbehrung sollte das Volk dafür büßen, dass es sich in seine frühere Sicherheit zurückgewünscht hatte, die Knechtschaft in Ägypten. Vierzig Tage und Nächte lief der Prophet Elia, ohne zu essen, von Beerscheba zum Berg Sinai, bevor Gott sich ihm offenbarte (1. Könige 19). Elia diente das ­Fasten als geistige Vorbereitung.

Vierzig Tage mussten Seeleute während der Pest auf ihren Schiffen ausharren, bevor sie als rein galten und wieder an Land durften. ­Warum vierzig? Sichere Kriterien hatte man nicht, die biblische Dauer legte sich nahe, und so spricht man von Quarantäne (französisch: quarantaine, vierzig). Als deutlich wurde, dass die Seeleute schneller gesund wurden, verkürzte man die Quarantäne, behielt den Namen aber bei – und bewahrte so die Erinnerung an das religiöse Vorbild.

Weniger Energie für die Verdauung, mehr Energie für den Geist

Vierzig Tage vor Ostern fasten Christen, nicht immer aus religiösen Gründen. Viele hungern nur den Winterspeck ab. Vorsicht! Um dauerhaft abzunehmen, muss man nach dem Fasten gesünder essen als vorher. Sonst ist der Speck im Nu wieder da . . .

Andere wollen nach einem Winter mit reichhaltigen Speisen den Körper im Frühjahr entgiften und verzichten deshalb auf Fettes und Süßes. Wer noch konsequenter denkt, setzt vielleicht auf die seelische Entschlackungskur. Das Stressniveau senken und sich zurückziehen, ins Kloster oder auf ­eine Berghütte: perfekt! Ein paar Tage kann man auf feste Nahrung ver­zichten und lebenswichtige Vitamine und Flüssigkeit über Säfte und Suppen aufnehmen: Wer weniger Energie für die Verdauung braucht, hat mehr Energie für den Geist. Das funktioniert auch ohne Religion.

Dennoch war Fasten in allen Reli­gionen stets wichtig. Schamanen und Propheten bereiteten sich auf Offenbarungen vor, indem sie fasteten. Antike Menschen fasteten aus Buße oder Trauer. Für die Muslime beginnt in diesem Jahr eine Woche nach dem christlichen Osterfest der Fasten­monat Ramadan. Dann sind alle Gläubigen aufgerufen, von Sonnenauf- bis -untergang Hunger und Durst zu ­zügeln – und auch die Zunge vor übler Nachrede in Zaum zu halten, den Augen Unanständiges zu verbergen und die Ohren vor bösen Worten zu verschließen. Noch mehr als sonst sollen Muslime im Ramadan darauf achten, Körper und Seele rein zu halten.

Der Verzicht soll Menschen nicht schwächen

Religionen deuten das Fasten als Akt der Buße, der Bewährung oder der Reinigung. Und sie geben vor, wie Menschen gemeinsam verzichten können. Tun es alle gleichzeitig, fällt die Entbehrung nicht so schwer. Christen fasten nur an Wochen-, nicht aber an Sonntagen. Da jeder Sonntag an Jesu Auferstehung "am ersten Tag der Woche" (Johannes 20,1) erinnert, feiern Christen auch die vorösterlichen Sonntage als kleine ­Oster- und Freudenfeste. Die 40 ­Tage der Fastenzeit verteilen sich auf 36 Wochentage nach den sechs vorösterlichen Sonntagen und auf die vier Wochentage davor. So beginnt die sogenannte Passionszeit stets an einem Mittwoch, dem Aschermittwoch.

Im Mittelalter erwies sich das ­Fasten vor Ostern als sinnvoll, Wintervorräte wurden knapp. Auch die 40 Tage vor Weihnachten waren als Fastenzeit angedacht. Nach der Zeit des Schlachtens, Räucherns und Ein­machens im November konnte sich das adventliche Fasten nicht durchsetzen. Das Fasten kann man unterschiedlich deuten. Aber der Verzicht soll Menschen nicht schwächen. Die ­Fastenzeit soll ihre Widerstandskraft gegen Versuchungen stärken, denen nachzugeben sie sonst be­reuen. Sie soll Klarheit verschaffen und Menschen flexibler machen in ihren ­Entscheidungen.

(aus: "chrismon")

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